Leere antike Grabstelle in Jordanien

Als ob es die Toten gäbe...

Auf einer Erkundungstour im Brgenezerwald stiess ich in der Friedhofkappelle in Damüls auf dieses Gebet:

Als ob es die Toten gäbe! Herr, es gibt keinen Toten, es gibt nur Lebende, auf unserer Erde und im Jenseits. Aber es ist nur ein Moment. Ein Augenblick, eine Sekunde, ein Schritt. Der Schritt vom Vorläufigen ins Endgültige. Der Schritt vom Zeitlichen ins Ewige.

Allerheiligen und Allerseelen. Zwei Tage, die riechen nach Chrysanthemen und nassen Blättern. Und doch; Mitten zwischen Kerzenlicht und Friedhofsstille steht für mich dieser Satz wie eine Provokation: „Als ob es die Toten gäbe!“ Er stellt sich gegen alles, was wir sonst hören; gegen den schwermütigen Schleier, den wir über das Leben legen, wenn es endet. Er sagt: Da ist kein Ende. Da ist nur ein Übergang. Kein Verlust, sondern ein Wechsel der Perspektive.

Vielleicht brauchen wir gerade heute solche Sätze. In einer Zeit, in der wir den Tod auslagern; ins Spital, ins Krematorium, in die Tabuzone.

Allerheiligen und Allerseelen flüstern uns zu, dass keiner verloren geht – auch wenn er uns entgleitet. Der Glaube an das Leben über den Tod hinaus ist keine Vertröstung, sondern ein Zuspruch, dass der Tod bloss ein Übergang ist in eine neue Realität hinter Raum und Zeit, dort, wo das Göttlich Zuhause ist, wo das Leben herkommt, wohin es zurückkehrt und wo wir Menschen uns wiedersehen...

Ich wünsche Ihnen viel Mut- und Lichtvolles in den trüben Novembertagen